Auskugelung

Auskugelung - Luxation


Schultergelenksluxation

Die Schulter ist das am häufigsten betroffene Gelenk für eine Auskugelung. Dabei kommt es zu einem Kontaktverlust des Oberarmkopfknochens und seiner Gelenkpfanne. Die große Bewegungsfreiheit des Schultergelenks wird durch eine kleine und flache Pfanne des Gelenks sowie seiner nur geringen passiven Stabilisatioren "erkauft". Beim Auftreten unkontrollierter großer Hebelkräfte ist es somit anfälliger für eine Auskugelung als andere Gelenke. Am häufigsten kugelt der Humeruskopf nach vorne unten aus. Hier ist das Bindegewebe am schwächsten. Auskugelungen nach hinten sind deutlich seltener. Die vordere Schulterluxation ist dabei mit 95% sehr viel häufiger als die hintere Luxation mit weniger als 5%.


Typische Ursachen sind Verletzungen beim Sport, oder bei der Arbeit. Die Inzidenz einer vorderen Schulterluxation beträgt ungefähr  23 pro 100. 000 Personenjahre und ist bei jungen Männer 4-mal so hoch. 


Die Symptome sind für den Patienten sofort bemerkbar und äußern sich in Schmerzen und einer sofortigen Bewegungseinschränkung.

Nachgewiesen wird die Schultergelenksluxation durch eine Röntgenbild in zwei Ebenen („true ap“ und axial).

In der Regel wird bei einem Erstereignis das Gelenk durch einen Arzt in einer Kurznarkose wieder eingekugelt (reponiert). Die Kurznarkose soll vor allem mögliche Folgekomplikationen, wie Brüche, Gefäß- und Nervenschäden und Läsionen der Rotatorenmanschette verringern.

Da nach Schulterluxation mit Begleitverletzungen zu rechnen ist, werden Schnittbildverfahren, wie Kernspin (MRT) und Computertomograpie (CT) zur Beurteilung von posttraumatischen Strukturveränderungen eingesetzt.
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Infolge der Luxation kann es durch das Vorbeischeren am vorderen Pfannenrand zu einem Einhaken des Humeruskopfes am Pfannenrand und zu einer Impression des Humeruskopfes im Bereich der hinteren außenseitigen Zirkumferenz kommen. Man spricht von der sogenannten Hill-Sachs-Delle. Das pathomorphologische Korrelat an der Pfanne ist die weichtilige Bankart-Läsion, eine Ablösung oder ein Einriss der vorderen unteren Gelenklippe (Labrum) vom vorderen Pfannenrand. Kommt es durch die Auskugelung zu einem Bruch der Pfanne spricht man von einer knöchernen Bankart-Läsion. Bei größeren Defekten von einer Glenoidfraktur. Häufig begleitet wird die Verletzung von einem Abriss des Kapsel-Labrum-Komplexes, insbesondere des anteroinferioren Labrums sowie des unteren (IGHL) und mittleren glenohumeralen Bandes (MGHL).
Vor allem bei älteren Patienten, oder auf dem Boden einer vorbestehenden Degeneration, kann es bei der Auskugelung zu einer Ruptur einer oder mehrerer Sehnen der Rotatorenmanschette kommen. Nicht selten können Brüche des großen Rollhügels (Tuberkulum majus Fraktur) nachgewiesen werden.

Konservative Therapie


Neben der Bildgebung (Röntgen, CT und MRT) ergibt die klinische Untersuchung und die Anamneseerhebung die entscheidenden Hinweise, ob das Schultergelenk im weiteren Verlauf konservativ oder operativ therapiert werden kann.

Beim jungen, sportlichen und beruflich aktiven Patienten tendiert man zu einer operativen Sanierung des Schultergelenks, da es häufig, auch im Rahmen von Bagatellverletzungen, zu einer erneuten Auskugelung kommen kann. Aus verschiedenen Langzeituntersuchungen und Vergleichsstudien zwischen operativer und konservativer Therapie ist zu erkennen, dass vor allem junge männliche Patienten (Alter < 40 Jahren) und Patienten, die eine Kontaktsportart ausüben, eine hohe Reluxationsrate aufweisen. Auch Patienten, mit großen Hill-Sachs-Läsionen, oder großen knöchernen Bankart-Läsionen sollte daher eine Operation angeraten werden. Reluxationen, Instabilitäten und schmerzhafte Bewegungseinschränkungen, besonders bei Außenrotations-Hebe-Bewegungen, sprechen für eine operative Versorgung. 

Jegliche Art von Gefäß- und Nervenverletzungen bedürfen einer individuellen Therapieentscheidung.

Mit zunehmendem Alter muss die Entscheidung zwischen konservativer und operativer Therapie ausführlich mit dem Patienten besprochen und mithilfe zusätzlicher Faktoren wie sportlicher Aktivität (Kontaktsportart) und beruflicher Ausrichtung (schwere körperliche Tätigkeit und Überkopfarbeit) individuell abgewogen werden.

Beim älteren Menschen kann bei einer "einfachen" Auskugelungen ohne Begleitverletzung meistens zunächst der konservative Weg versucht werden. Dabei soll unter krankengymnastischer Übungsanleitung und Eigentraining durch Muskeltraining ein gut zentriertes und stabilisiertes Gelenk erreicht werden.

Die physikalische Therapie zielt auf eine Kräftigung des Schultergürtels ab, wobei vor allem die Kräftigung der Innen- und Außenrotatoren und die Skapulastabilität im Vordergrund stehen.

Operative Therapie 


Ziel einer operativen Therapie ist es eine schmerzfreie, stabile und kräftige Schultergelenksbeweglichkeit wiederherzustellen und somit einer vorzeitigen Degeneration des Schultergelenks vorzubeugen.

Standardverfahren der operativen Therapieoption ist die Schlüssellochchirurgie (Arthroskopie). Neben der exakten Beurteilbarkeit des Schadensausmaßes können die meisten Verletzungsfolgen über diese minimalinvasive Operationstechnik versorgt werden. Arthroskopische Rekonstruktionstechniken haben die offenen als Standardverfahren inzwischen abgelöst, da sie weniger Komplikationen verursachen und den stationären Aufenthalt auf durchschnittlich einen Tag verkürzen.

Operativ wird eine möglichst anatomische Rekonstruktion des traumatisch abgelösten Kapsel-Labrum-Komplexes mittels Ankerrefixation durchgeführt. Kleinere knöcherne Bankart-Läsionen können ebenfalls arthroskopisch refixiert werden.
Größere Brüche der Pfanne werden in der Regel offen verschraubt. Biomechanische Untersuchungen haben gezeigt, dass größere Glenoiddefekte mit einer weichteiligen Kapsel-Labrum-Rekonstruktion nicht ausreichend stabilisiert werden können und die Reluxationsrate rapide ansteigt.
Bei größeren Defekten am Pfannenrand, oder bei Revisionseingriffen, kann es notwendig werden, einen kleinen Knochenblock (Beckenkamm, oder Rabenschnabelfortsatz (Korakoidtransfer nach Latarjet)) auf den Pfannenrand zu verschrauben, falls eine Rekonstruktion der Fraktur nicht mehr möglich sein sollte .

Die Reluxationsrate für Patienten nach einer operativen Stabilisation (offen oder arthroskopisch) liegt zwischen 3%  und 14% je nach herangezogener Studie. Entscheidende Faktoren sind Patientenalter, Nachuntersuchungsdauer und Wiederaufnahme der sportlichen Aktivität.

Ohne Operation liegt die Reluxationsrate bei über 60%.
Beispiel einer arthroskopischen weichteiligen Bankart-Operation.
Beispiel einer Operation nach Latarjet.

Nachbehandlung

Die postoperative Nachbehandlung einer Schulterglenksluxation ist langwierig und beansprucht mehrere Wochen. 
Eine spezielle Orthese muß für bis zu 6 Wochen getragen werden, um das Operationsergebnis nicht zu gefährden.


Bereits während des stationären Aufenthalts wird das operierte Schultergelenk durch unsere Physiotherapeuten passiv-assistiv bewegt um einer Einsteifung des Schulterglenks vorzubeugen. In den folgenden Wochen erfolgt eine für Ihre Erkrankung speziell festgelegte Nachbehandlung im Rahmen einer ambulanten physikalischen Therapie.

Im weiteren Verlauf muß die Schulter noch in Eigenbeübung weitertrainiert werden.

Literatur

Leroux T, Wasserstein D, Veillette C. et al. Epidemiology of primary anterior shoulder dislocation requiring closed reduction in Ontario, Canada. Am J Sports Med 2014; 42: 442-450
Itoi et al.
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